Under Construction
23.06.2020Hiroshima adé, gerade bin ich auf dem Weg nach Kyoto, das wird aber noch zwei Wochen dauern bis ich da bin. Vier Wochen Hiroshima waren eindeutig zu lang, die Stadt scheint mir doch eher auf Tagesbesuche ausgelegt zu sein und hat neben den Bekannten Touri-Fallen meiner Meinung nach nicht so viel zu bieten. Die haben inzwischen wenigstens fasst alle wieder auf. Im Hostel ist außer einer Handvoll von (ich glaube) chinesisch sprechenden Leuten, die zwei lange Tage größere Kochgelage in der Küche veranstaltet haben, auch niemand mehr aufgetaucht. Immerhin mal Zeit mich etwas mehr dem Sprachelernen zu widmen, wenn auch mit mäßigem Erfolg.
Stadtwandern
Stadt erkunden, wie üblich zu Fuß. Hiroshima ist eher mäßig hübsch, woran das so genau liegt kann ich schwer sagen. Vermutlich eine Mischung aus dem Fehlen des historischen Anteils und der starken Industrialisierung durch Hafen, Schiffsbau und Autoindustrie (Mazda, die haben auch ein Museum, das hat aber wegen Renovierung gerade zu). Ungewöhnlich ist auch die Straßenbahn. Zum einen ist es das erste mal, dass ich in Japan eine Straßenbahn, die so richtig zwischen dem restlichen Verkehr rumfährt, gesehen habe, zum anderen ist die auch als 'Rollendes Straßenbahn Museum' bekannt. Der Fahrzeugbestand ist wild aus asiatischen und europäischen Modellen verschiedener Jahrzehnte zusammengewürfelt und nicht selten hat man auch mal vier davon gleichzeitig im Blickfeld. Das instandzuhalten stelle ich mir unangenehm vor.
Auch sehr auffällig im Stadtbild, ist das ansässige Baseballteam, Hiroshima Toyo Carp. Die gehören zum Großteil der Mazda Familie und sind deshalb im örtlichen 'Zoom Zoom Stadium' daheim. Ansonsten findet man neben diversen Fanshops, Plakaten und aufwändig mit dem Maskottchen gestalteten Kanaldeckeln auch komplett im Carp Design gehaltene Konbinis verschiedener Ketten mit angepasstem Produktsortiment. Falls ihr euch wundert, Baseball (yakyū) ist mehr oder weniger die japanische Nationalsportart und die Carps sind wohl recht erfolgreich.
Das Wenige was den Atombombenabwurf zumindest Teilweise überlebt hat, lässt sich über den 10km langen Futabanosato Historical Walking Trail erlaufen. Das sind fast ausschließlich die üblichen Tempel und Schreine, ein Wasserwerksmuseum und ein Aussichtspunkt sind auch dabei. Ganz nett um einen Überblick über die Stadt zu bekommen. Ein Burg gibt's natürlich auch, die ist aber wie so oft nicht original. Sehr schön sind die diversen kleineren und größeren Berge mitten in der Stadt, die sind mit Wanderrouten bestückt, die es schaffen den Eindruck zu vermitteln man befände sich gar nicht mehr mittig in einer Großstadt. Etwas bedenklich sind nur die Schilder, die vor den Riesenhornissen warnen. Die sind gerne mal drei bis vier Zentimeter lang, vernichten in ihrer Freizeit komplette Bienenvölker und ein Stich ist wohl sehr, sehr schmerzhaft. Ein Glück bin ich keiner begegnet.
Zum Abschluss hab ich es auch noch geschafft die, örtliche Spezialität, eine Okonomiyaki Variante, zu kosten. Die Zutaten für den allseits beliebten Alles-Worauf-Du-Bock-Hast-Mit-Ordentlich-Mayo-Obendrauf-Pfannkuchen werden hier geschichtet statt gemischt, das ist eigentlich auch schon alles. Lecker war's trotzdem. Ich bin in den erstbesten Laden in der Nähe des Hostels gegangen, der Stellte sich als alteingesessenes, von Mutter und Tochter geführtes Traditions-Restaurant heraus. Leider schließen sie Ende des Jahres aus Altersgründen, aber ich durfte mich noch als erster Kaiserslauterer in dem Straßenatlas verewigen in dem sie die Herkunftsorte aller ausländischer Gäste gesammelt haben ... und der war schon verflucht voll.
Alles friedlich
In Hiroshima gibt es sehr viel Frieden: Friedenspark, Friedensdenkmal, Friedensmuseum, Kinder-Friedensdenkmal, Flamme des Friedens, Friedensteich, Friedenshalle, Tore des Friedens, Friedensboulevard, Friedensglocke, Friedensuhrturm, Weltfriedenskirche, Friedensboot ... irgendwas habe ich bestimmt noch übersehen. Kurz gesagt, die Stadt ist doch sehr von ihrer jüngeren Geschichte geprägt, was, wie ich finde, bei dem Thema aber durchaus in Ordnung ist. Das Friedensmuseum hat inzwischen auch wieder offen, angemessenerweise mit Maskenpflicht, Abstand- und Schnauzehalten und Wartenummer um die Besucherzahl zu begrenzen ... ich war Mittags da, hab eine niedrig zweistellige Nummer gezogen und konnte direkt rein. Das Museum konzentriert sich stark auf Exponate mit den damit verbundenen persönlichen Geschichten, weniger auf den technischen und weltgeschichtlichen Kontext (der natürlich trotzdem behandelt wird). Hat mir persönlich recht gut gefallen, schließlich ist das der Teil, den ich nicht gemütlich daheim in der Wikipedia nachlesen kann. Die Ausstellung baut dazu auch noch eine sehr bedrückende Atmosphäre auf, ich würde also empfehlen da nicht mit allzu guter Laune hinzugehen ... die ist danach nämlich vermutlich weg.
Die meisten der oben genannten Friedens...ähm...dinge liegen im Friedenspark neben der Atombombenkuppel. Dort findet man in großer Zahl überall Papierkraniche (Achtung: Nicht mit dem Flattervogel verwechseln, der wird leicht anders gefaltet!) verteilt, die von Leuten aus aller Welt gespendet worden sind. Auch im Rest der Stadt wird einem der Kranich häufig als Symbol über den weg laufen. Wer wissen will, was es damit auf sich hat, darf gerne mal die Geschichte der Sadako Sasaki nachlesen, ein paar der original Kraniche finden sich übrigens auch im Friedensmuseum.
Weltkulturerbe à la Christo
Eine Ausflug nach Miyajima – eigentlich heißt die Insel Itsukushima und die Stadt die darauf liegt Miyajima ... das aber auch nicht mehr seit sie 2005 mit Hatsukaichi verschmolzen ist... Der Einfachheit wegen bleibe ich aber trotzdem mal bei Miyajima – darf natürlich nicht fehlen wenn man eh schon in Hiroshima ist. Dorthin geht's per Fähre, der Hafen liegt etwa 20km außerhalb der Stadt und ist gut per Zug erreichbar (ein drittes Mal wollte ich die Strecke wirklich nicht per Rad nehmen). Die Insel ist wegen dem darauf befindlichen Itsukushima Schrein, der UNESCO Weltkulturerbe ist, und vor allem dem zugehörigen Torii das davor im Meer steht bekannt. Vom dem Torii sieht man momentan allerdings nicht viel, weil es wegen Renovierungsarbeiten komplett eingepackt ist. Neben zahlreichen anderen kleinen Schreinen die überall auf der Insel verteilt sind, gibt es noch ein Aquarium, inklusive fragwürdiger Robben-Show, und viel Gelegenheit zum Bergwandern. Letzterem habe ich mich natürlich gewidmet. Wer die 4.5km Treppen nach oben nicht nehmen kann oder will, kommt auch per Seilbahn zum Observatorium auf dem Gipfel, dementsprechend ist es oben auch weniger idyllisch als man nach der Wanderung vielleicht vermuten würde. Ein weiterer Grund die Seilbahn zu bevorzugen könnten auch die Giftschlangen – Mamushi – sein, die laut Warnschildern auf der Insel unterwegs sind. Deren Gift ist zwar durchaus tödlich, das Gegenmittel ist aber gut lagerbar und demnach fast überall schnell verfügbar, deswegen ist der Zahl der Todesfälle eher gering ... ein mehrwöchiger Krankenhausaufenthalt mit anschließender Reha ist aber trotzdem notwending, also lieber die Augen offen halten. Ich bin seit ich in Japan bin tatsächlich auch schon einer Handvoll Schlangen begegnet, soweit ich das optisch beurteilen kann, war aber keine Mamushi dabei. Die meisten Bisse passieren zumal wohl beim Versuch die Viecher in Schnapps einzulegen ... seltsames Hobby.
Und noch eine Besonderheit: Bei Ankunft wird direkt darauf hingewiesen, dass man besonders auf seine Fährtickets und sonstigen Habseligkeiten aufpassen soll, weil die wohl gerne von den ortsansässigen Rehen gefressen werden. Die Rehe laufen da hauptsächlich in der Stadt rum und das seit wohl mehreren hundert Jahren. Überhaupt nicht scheu, total zahm und nicht aggressiv. Nur Mittagessen wird dadurch eher kompliziert, kaum packt man was Essbares aus, kommt ein Reh auf wenige Zentimeter auf einen heran und guckt treu-doof. Ortswechsel helfen auch nur kurzzeitig.
Obligatorisches Rumradeln
Leider ist Hiroshima nicht so praktisch für kleinere Radtouren gelegen wie Fukuoka. Es ist unglaublich anstrengend sich aus der Stadt rauszuquälen und die umliegenden Berge sind auch eher wenig radfreundlich. Der erste Versuch einer Tour scheiterte dann auch recht bald an einer wegen Bauarbeiten gesperrten Bergstraße.
Der nächste Anlauf ging nach Iwakuni. Das liegt auf halber Strecke des Weges den ich gekommen war, dementsprechend hauptsächlich Stadt und unschön zu fahren. Iwakuni ist wegen der Kintai Brücke und dem angrenzenden Park ein beliebtes Ausflugsziel. Die Brücke ist über viele hundert Jahre immer wieder durch Hochwasser weggeschwemmt und wiederaufgebaut worden, zuletzt 1950, wohl weil die Amerikanische Armee zu viel Schotter um die Pfeiler weggebuddelt hat um eine Landebahn für ihre Basis zu bauen. Die Brücke zu benutzen kostet was und ist aus augenscheinlichen Gründen per Fahrrad auch nicht möglich, deswegen bin ich dann doch über die Straßenbrücke nebenan zum Park auf der anderen Seite. Der wirkt recht modern, mit Blümchen, Springbrunnen und Kunst. Eisläden gab's auch ... mit einer wirklich absurd großen Auswahl an Sorten. Achja, ne Burg hat Iwakuni natürlich ebenfalls, ausnahmsweise mal auf einem Berg, da führt auch eine Seilbahn rauf ... und eine Straße, die war aber wegen Bauarbeiten gesperrt, seufz.
Die letzte Tour ging auf die als Cycling Island beworbenen Halbinsel Etajima die vor Hiroshima liegt. Von Hiroshima aus kommt man gemütlich per Fähre dort hin und kann dann weniger gemütlich die 110km nach Hiroshima zurückfahren. Frohen Mutes losgeradelt endete die Tour nach wenigen Kilometern an einer gesperrten Straße ... war wohl weggeschwemmt worden und wurde gerade wiederaufgebaut, ich glaube ihr erkennt langsam das Muster. Die Alternativroute hätte direkt am Hafen begonnen, es gab aber auch eine Abkürzung in steil, ratet mal wozu ich mich entschieden habe. Als ich dann keuchend wieder oben an der eigentlichen Route stand, fuhr natürlich, amüsiert winkend, die Gruppe von um die 15 Radlern, die mit mir die gleiche Fähre genommen hatten, an mir vorbei. Die wussten vermutlich mehr als ich. Der Rest der Insel war dann aber recht angenehm zu fahren: Alles Straße, wenig Verkehr, gut markierter Weg. Optisch aber eher Mittelklasse. Zumal war es Bewölkt, zum anderen ist auf Etajima viel Schiffsbau und Militär. Immerhin lassen sich fasst alle Brücken per Fahrrad nutzen, nur die letzte nicht, da gibt es dann eine kleine Fähre in technisch fragwürdigem Zustand.
Auf dem Festland angekommen landet man direkt in Kure, noch mehr Industrie, noch mehr Militär ... so viel zum Thema 'Frieden'. Zwischen Kure und Hiroshima liegt leider auch noch ein recht fieser Berg und die Route, die ich mir rausgesucht hatte, hat mich dann auch direkt in ein Wohngebiet geführt, dass schon eher Italienische Bergdorfverhältnisse hatte was die Straßen anging. Kurz vor der Straße, die auf den Berg rauf ging, hat mich dann eine Einheische abgefangen, die mich unterwegs per Roller überholt hatte. Trotz diverser Kommunikationsschwierigkeiten, konnte sie mir dann doch vermitteln, dass da hochzufahren eine recht dämliche Idee sei. Sie hat dann auch direkt ihr schniekes Rennrad aus dem Schuppen geholt und mit zu einer Straße gebracht, die zwar doppelt so lang, aber auch nur halb so steil war. Von oben hab ich dann meine eigentlich angedachte Route gesehen ... wäre echt ne dämliche Idee gewesen da hochzufahren.






































































